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Bertram Radelow
SP-Schnüffler Registriert seit: Apr 2001 Wohnort: CH-7270 Davos Verein: Argos, MGD Beiträge: 926 Status: Offline |
Beitrag 4437
, Barrowman (leider...)
[30. Mai 2001 um 21:33]
Rundruf:
alle sagen immer nur "Barrowman", als ob er der Pabst sei. Dabei liefern seine Formeln z.B. bei flügellosen Raketen (à la Gemini-Titan) ziemlich seltsame Druckpunkt-Lagen. Selbst bei bekannteren Layouts wie z.B. MIM-23 (Hawk) liegt der Barrowman-Druckpunkt VOR dem geometrischen - was ich nun absolut nicht glauben kann. Bei anderen Designs liegt er so weit hinten, daß ich nur sagen kann hoffentlich stimmt's... Ich möchte den Spinat-Effekt verhindern: Einer der ersten Abschreiber der Original-Untersuchung hat sich bei der Komma-Stelle des Eisengehalts vertan, und die Auswirkungen auf bald Milliarden Kinder sind bekannt... (die Geschichte stimmt übrigens.) Barrowman wird sicher Einschränkungen für seine Formeln ausgesprochen haben, sonst wären Titan und andere flügellose nie vom Boden gekommen - bei soviel Blei im Kopf, um den Schwerpunkt nach vorne zu bringen... Wer hat den Original-Artikel von Barrowman? Diese ewige Abschreiberei produziert leicht Fehler (Oliver... - sorry, so etwas ist nicht schlimm - es passiert STÄNDIG überall auf der Welt). Wenn ich genügend Material bekomme, stelle ich die Ergebnisse mit ein paar Beispielen in einem Grundlagenartikel zusammen. Danke im voraus für Eure archaeologischen Mühen! Bertram |
Jonas Veya
Mitglied Registriert seit: Feb 2001 Wohnort: Schweiz, 8044 Zürich Verein: ARGOS Beiträge: 440 Status: Offline |
Beitrag 4439
[30. Mai 2001 um 22:32]
Hallo Bertram,
Vielleicht hilft dir dieses PDF wegen Barrowman weiter: http://www.dars.org/jimz/manuals/tir-33.pdf Gruss Jonas |
Oliver Arend
Administrator
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Beitrag 4440
[30. Mai 2001 um 23:01]
Tut mir Leid, aber meine Formeln sind genau die gleichen Barrowman-Formeln wie überall anders auch (bis auf das d, aber kannste ja mal mit dem TIR von Jonas' Link abgleichen).
Also, vom Prinzip der Barrowman Formeln her sind die Ergebnisse, die Du hast, richtig. Der Nosecone hat nun mal wesentlich mehr mit der Stabilität zu tun als das Körperrohr, dieses wird also nicht mit einbezogen. Ohne Flossen hast Du also den Druckpunkt am Nosecone (deshalb funktionieren konische Raketen wiederum, und ogiv ginge natürlich auch - mmh, D12-5 in PML 2,1" Nosecone?). Raketen ohne Flossen sind, wie Du hoffentlich bemerkt hast, alle groß und hochentwickelt. Sie werden per Schubvektorsteuerung auf der Bahn gehalten, im Gegensatz zu "einfachen" Höhenforschungs- oder militärischen Raketen, die hptsl. durch Flossen auf der Bahn gehalten werden (natürlich gibt es auch hier die ein oder andere Schubsteuerung). Dann ist da die Sache der Verjüngungen. Ich hab das schon mal in einem Thread breit ausgelegt, sie müssen schlichtweg ignoriert werden (sonst wird eine V2 noch instabiler als sie ohnehin ist). Dann beschränkt sich Barrowman selbst bei der Anzahl der Flossen (3-6). Wie wir am Shuttle gesehen haben (ok, könnte Zufall sein), gelten sie auch für 1 oder 2 Flossen. Die Anstellwinkel-Einschränkung ist sinnvoll, denn je mehr der Wind von der Seite kommt desto mehr verschiebt sich der "windrelevante" Flächenschwerpunkt (i.e. solcher Flächen, die im Wind liegen). Bei 90° haben wir schließlich das Schattenrissmodell. Dass dieses bei flossenlosen Designs ein stabilieres Ergebnis gibt, liegt daran, dass es das Körperrohr mit einbezieht, Barrowman halt nicht. Der Schwerpunkt meiner Jufo-Arbeit für dieses Jahr wird wohl darin liegen, die (de-) stabilisierenden Kräfte in Abhängigkeit von Anstellwinkel, Flossengröße/-anzahl und anderen Parametern zu messen und dies mit theoretisch auf Basis der Projektion (in den Wind sozusagen) ermittelten Werten (bzw. Verhältnissen) zu vergleichen. Dann kann ich mit Sicherheit sagen wann wie wo und inwiefern Barrowman und/oder die Schattenrissmethode gelten. Wer hierzu Anregungen und Ideen hat, bitte her damit! Es ist zu unser aller Wohle :-) Wenn man sich ein wenig mehr damit auseinandersetzt und die Formeln richtig anwendet, ergibt Barrowman meiner Meinung nach sehr sinnvolle Ergebnisse. Oliver |
Oliver Arend
Administrator
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Beitrag 4441
[30. Mai 2001 um 23:07]
Im TIR ist d der Durchmesser des Körperrohr, das könnte auch bei meinen Flossen gut sein...
Hier wird auch bemerkt, dass die Kraft bei der Verjüngung negativ ist. Wie man damit umzugehen hat, also 1. einfach so damit rechnen oder 2. den Betrag verwenden oder 3. ignorieren wird einem leider nicht gesagt. Meiner Meinung macht das Ignorieren am meisten Sinn und gibt die realistischsten Resultate. Oliver |
Peter
alias James "Pond"
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Beitrag 4442
[31. Mai 2001 um 00:14]
Zitat: Also Oliver: entweder - oder! Entweder man rechnet nach Barrowman, dann aber komplett, denn so kompliziert sind die Formeln nun auch wieder nicht. Oder man bestimmt den Druckmittelpunkt anderweitig. Aber Barrowman-Zwischenergebnisse weglassen weil man sie nicht einordnen kann, ist methodisch einfach Pfusch. Die Verjüngung ist negativ und muß so in die Rechnung eingehen. Das ist bei Anwendung der vier Grundrechenarten auch beherrschbar. Grundsätzlich muß man einfach damit leben, daß sich nicht jede Rakete nach Barrowman berechnen läßt. In gewissem Umfang kann man statt der realen Formen vereinfachte "Ersatzkörper" definieren (siehe TIR-33), aber eine A4 oder gar ein Space Shuttle dürfte diese Formeln schlichtweg überfordern. Doch die meisten unserer Raketen sind hinreichend brav gestaltet, so daß man mit Barrowman auf einfache Weise sehr zuverlässige Stabilisierungen bekommt. VORSICHT: auch das gilt nur, wenn man mindestens die 7 Einschränkungen bedenkt, die TIR-33 auf Seite 5 nennt. Beispiel: weit unter Schallgeschwindigkeit bleiben, sehr kleine Auslenkwinkel usw. Aber davon abgesehen ist mir bei "normalen Raketen" NIEMALS begegnet, daß Barrowman falsch und die Rakete unstabil wäre. Zitat: Nein, eher den Salat. Der Anstellwinkel hat, wenn das den "angle of attack" meinen sollte, meines Erachtens nichts mit dem Seitenwind zu tun. @Bertram: der Koeffizient "d" meint laut Bild 7 auf Seite 7 im TIR-33 den Rumpfrohrdurchmesser der Rakete, ABER: dort, wo die Spitze aufsitzt. Eine mehrstufige Rakete könnte ja mehrere Rumpfdurchmesser haben. Noch eine Schlußbemerkung zum Thema komplizierte Formeln: mein erstes Barrowman-Programm habe ich auf einem Casio 602p geschrieben. Dieser Taschenrechner hat 512 Byte Speicherplatz, also ein halbes K. Trotzdem hat er alles berechnet, sogar richtig. Ich hatte auch nur TIR-33. Es geht. |
Oliver Arend
Administrator
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Beitrag 4463
[31. Mai 2001 um 16:02]
Zitat: Also ich bin der letzte der was gegen komplizierte Formeln hat. Offensichtlich ergibt ein negativer Übergang doch ein falsches Ergebnis. Simuliere mal eine kurze Egglofter-ähnliche Rakete (oben 60 mm Durchmesser), mit min. diameter Körperrohr (19 mm) und nicht allzugroßen Flossen. Und lass das Ei weg (wg. Schwerpunkt). Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die instabil ist, aber die Verjüngung würde den Druckpunkt vermutlich noch vor die Nase legen (hab RockSim grad nich installiert, sonst würde ich es gerne probieren), und das kann einfach nicht sein. Warum sollte man angeblich richtiges und bewährtes nich mal in Frage stellen? Wird doch auch sonst gerne gemacht... (das mit den vier Grundrechenarten erübrigt sich hoffentlich) Zitat: Das galt und gilt es herauszufinden. Eine V2 ist eine extrem einfach gestrickte Rakete: 4FNC mit Boattail. Und ziemlich kurz... Das Shuttle ist das krasse Gegenteil, aber ich habe die Barrowman-Formeln nicht einfach so übernommen, wie das leider viel zu häufig getan wird, sondern mir Gedanken gemacht, was sie eigentlich bedeuten. Was ein Druckpunkt eigentlich genau ist, und was er bewirkt. Und da ich glaube das innerhalb des mir als Abiturient zur Verfügung stehenden Horizontes begriffen zu haben (übrigens: keiner der Aerodynamiker beim DLR Göttingen/Braunschweig konnte mir helfen), habe ich dieses Wissen beim Shuttle angewendet, und ich glaube kaum, dass es Glück war, dass es perfekt flog (wenn alle Motoren zündeten). Ich plädiere auf unschuldig bis zum Beweis der Schuld. Zitat: Richtig. Bei Nosecone und Flossen kann man auch nichts falsch machen. Der Boattail hingegen macht schon wieder Sorgen (so, jetzt gehe ich mal die URL in den Thread holen... http://www.raketenmodellbau.org/showthread.php?threadid=190 bitte durchlesen, ich geh da jetzt nicht näher drauf ein) Zitat: Tut mir Leid, wenn ich das so sagen muss, aber: <b>"Falsch! Sechs! Setzen!"</b>. Was glaubst Du, wo ein Anstellwinkel (= angle of attack) herkommt, wenn nicht vom Seitenwind? Weil eine Rakete ohne Seitenwind immer geradeaus fliegt, weil nur von hinten der Motor schiebt. Wind kommt also immer von vorne, Anstellwinkel = 0°. Wenn eine Rakete nach Barrowman (kleiner Anstellwinkel) also gerade so nur stabil ist, dann hat sie bei starkem Seitenwind einen hohen Anstellwinkel, Barrowman gilt nicht mehr, der Druckpunkt verschiebt sich mehr in Richtung des Schattenriss-Druckpunktes und das Teil wird instabil. (Und ich sach noch man sollte sich mal näher mit den Eigenschaften und der Funktionsweise der Barrowman-Formeln auseinandersetzen...) Alles klar? Ich habe da keinen Salat von... Oliver |
Peter
alias James "Pond"
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Beitrag 4466
[31. Mai 2001 um 16:49]
Zitat: Ha! Das ist immer wieder schön, wenn sich jemand weit aus dem Fenster lehnt, hab ich auch schon oft gemacht. Zur Sache: der "Angle of Attack" hat nach meiner unmaßgeblichen Meinung nach wie vor NICHTS mit dem Seitenwind zu tun. DENN ES GIBT IHN AUCH BEI VÖLLIGER WINDSTILLE. Wenn die Rakete so vor sich hindüst, dann hat sie einen scheinbaren Gegenwind. Jede abrupte Abweichung von diesem Flugvektor (z.B. wenn noch ein Rest Copperhead vor sich hin hustet, oder weshalb auch immer) ruft einen plötzlichen Anstellwinkel relativ zu diesem ursprünglichen Winkel hervor. UND DAS ISSER! Die Kunst besteht nun darin, daß die flossenstabilisierte Rakete in den ursprünglichen Winkel zurückgezwungen wird. Wenn nicht, führt sie Veitstänze auf und das Barrowmanprogramm hat versagt. Zitat: Der typische Anwendungsfall ist doch eine Verjüngung unten am Rumpf, oder Elemente so wie bei der Ariane 4. Tatsächlich sind diese Werte negativ, ihr Betrag aber ist viel kleiner als der Einfluß der Leitflächen (die jede Barrowman Rechnung total dominieren), so daß da mitnichten ein negativer Druckmittelpunkt herauskommt. Dein Gedankenexperiment hinkt schon allein deshalb, weil die Barrowman Formel u.a ausdrücklich eine "schlanke" Rakete voraussetzen. Vor allem aber, weil Du nur Vermutungen anstellst, aber die Rakete nicht vorrechnest. Außerdem sagt Barrowman NICHT, ob die Rakete stabil ist, das ist schon wieder eine logische Unschärfe. Er sagt nur, wo der Druckmittelpunkt liegt. Die Stabilität ist dann ja von der Lage des DMP relativ zum Schwerpunkt abhängig. Daß ich mich mit ´ner Sechs setzen muß, darf bezweifelt werden. Eher schon ist richtig, daß Du froh sein mußt, weil Barrowman nicht im Abitur vorkam.. |