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pegi

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Beitrag 38913 , ESA streicht mal wieder... [Alter Beitrag07. November 2003 um 18:09]

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Schmerzhafte Beschlüsse zu „Kosmischer Vision“

Der Ausschuß der ESA für das Wissenschaftliche Programm (SPC) hat in
seiner 105. Sitzung am 5./6. November weitreichende Beschlüsse zum
Programm „Kosmische Vision“ gefaßt. Aufgrund der gegenwärtigen
finanziellen Lage und der Tatsache, daß in absehbarer Zeit weder mit einer
Aufstockung der Haushaltsmittel noch mit einer andersgearteten Entlastung
zu rechnen ist, sah sich der SPC gezwungen, die Mission Eddington zu
streichen und die Mission BepiColombo einzuschränken.

Eddington hatte zwei ebenso bemerkenswerte wie für die Astronomie
unmittelbar relevante Ziele. Zum einen sollte die Sonde etwaige
erdähnliche Planeten außerhalb unseres Sonnensystems aufspüren, eine
wesentliche Etappe auf dem Weg zur Lösung des Rätsels, wie Leben
entstanden ist, warum wir gerade an dieser Stelle des Universums leben und
ob es „dort draußen“ andere Himmelskörper gibt, auf denen Leben existieren
könnte. Zum anderen sollte Eddington in die Fußstapfen der
Sonnenforschungsmission SOHO der ESA und der NASA treten und mit Hilfe der
Astroseismologie Sterne „von innen“ erkunden. Der Verlust dieser einen
Mission wird indes die ESA langfristig nicht an der Fortsetzung der
Forschungsarbeiten hindern, zu denen sie beigetragen hätte.

Auch der unfreiwillige Verzicht auf das Landegerät von BepiColombo ist
wissenschaftlich ein schwerer Schlag. Zwar hält die ESA - in
Zusammenarbeit mit der japanischen Raumfahrtagentur JAXA - an der
Entsendung zweiter Orbiter zum Merkur fest, aber die nun ausbleibenden
Daten von dessen Oberfläche sind ein großer Verlust. Andererseits ist eine
Landung auf einem so sonnennahen Planeten keine Routineangelegenheit und
war unter den jetzigen Umständen „eine Nummer zu groß“ - womit Europa die
Chance verpaßt haben dürfte, hier Pionierarbeit zu leisten.

Die Ursachen der Probleme wurden bereits auf der Junitagung des Rates
festgestellt. Im Frühjahr war in mehreren Fällen ein plötzlicher
Mittelbedarf aufgetreten; der eindeutigste und bekannteste Fall war
natürlich das unvorhergesehene Startverbot für die Ariane-5 im Januar,
wodurch sich die Missionen Rosetta und SMART-1 verzögert haben. Ein
kurzfristig gewährtes Darlehen von 100 Millionen Euro muß aus den
gegenwärtig verfügbaren Mitteln bis Ende 2006 zurückgezahlt werden.

Der SPC stand unter Zugzwang: Die unmittelbar bevorstehenden Missionen
mußten stark eingeschränkt werden, um den Gesamtfinanzrahmen des Programms
nicht zu sprengen. Mit den Entscheidungen, die er in dieser Woche gefällt
hat, hat der SPC das Programm „Kosmische Vision“ notgedrungen auf ein Maß
zurückgestutzt, das eher den finanziellen Bedingungen als den Ambitionen
der Wissenschaft gerecht wird.

Eine lange und schwierige Diskussion in der Sitzung des Ausschusses hat zu
dem Ergebnis geführt, daß zum jetzigen Zeitpunkt nur eine einzige neue
Mission gestartet werden kann, nämlich „LISA Pathfinder“, der technische
Vorläufer zum weltweit ersten Astronomieteleskop für den Nachweis von
Gravitationswellen, LISA. Der Beginn der Mission LISA selbst, ein
Gemeinschaftsvorhaben mit den USA, ist für das Jahr 2012 geplant.

Das ESA-Programm „Kosmische Vision“, das bis 2012 dauern soll, ist ein
dynamisches Programm, das sich ständig den verfügbaren Finanzmitteln
einerseits und den Erwartungen der Wissenschaft und den technologischen
Entwicklungen andererseits anpassen muß. Die unter diesen Voraussetzungen
vom SPC gefaßten Beschlüsse sind darauf ausgerichtet, den Ertrag des
Programms fachübergreifend zu maximieren und dafür zu sorgen, daß es
sowohl anspruchsvoll als auch finanzierbar bleibt. Leider wird zahlreichen
europäischen Wissenschaftlern unter den gegenwärtigen Voraussetzungen
nichts anderes übrigbleiben, als ihre Ambitionen zurückzuschrauben.
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