Raketenmodellbau.org Portal > Forum > Experimental & Forschung > Experimental & Forschungs Raketenbau > Aerodynamische Grundlagen für Flugmodelle - Raketengleiter
Du kannst keine neue Antwort schreiben
Seiten (4): « 1 2 3 [4]

Autor Thema 
Andi Wirth

Überflieger

Andi Wirth

Registriert seit: Nov 2002

Wohnort: Winterthur/CH

Verein: ARGOS, TRA, MGSU

Beiträge: 1262

Status: Offline

Beitrag 59427 , Seitenruder und V-Form [Alter Beitrag22. Oktober 2004 um 23:08]

[Melden] Profil von Andi Wirth anzeigen    Andi Wirth eine private Nachricht schicken   Besuche Andi Wirth's Homepage    Mehr Beiträge von Andi Wirth finden

Die meisten Modellflieger haben fangen mit einem zweiachsgesteuerten Hochdecker an zu fliegen - sei es ein Motorflugzeug oder ein Segler.
Diese sind i.A. über Seiten- und Höhenruder gesteuert. Wenn wir ein Modell ohne V-Form vor uns haben, passiert bei einem Seitenruderausschlag aus dem Geradeausflug Folgendes:
Zuerst entsteht ein Drehmoment, dass das Flugzeug schräg zur Flugrichtung stellt. Dieses Moment verschwindet, sobald das Seitenleitwerk einen Anstellwinkel erreicht, bei dem es keinen "Auftrieb" mehr liefert. Wird der Ruderausschlag beibehalten, fliegt das Flugzeug in stabiler Lage schräg zur Flugrichtung weiter. Dieser Zustand wird Schieben genannt.
Jetzt kommen je nach Bauweise unterschiedliche Effekte zum Tragen:
Auf der Leeseite des Rumpfes entsteht eine Wirbelzone, die auch den inneren Bereich der Tragfläche bestreicht. Folge: der statische Druck wird in diesem Bereich kleiner.
Nachdem auf der Oberseite der Tragfläche durch ihren Anstellwinkel sowieso schon ein Unterdruck herrscht, wird hier in den meisten Fällen der Auftrieb erhöht. Auf der Unterseite herrscht Überdruck, der durch die Verwirbelung verringert wird. Effekt: Der Auftrieb wird verringert.
Beim Mitteldecker heben sich die beiden Effekte auf.
Beim Hochdecker kommt nur der Effekt auf der Flügelunterseite zum Tragen - das heisst, der Auftrieb nimmt an der hinterherfliegenden Fläche ab, das Flugzeug kippt auf diese Seite. Das heisst, es leitet faktisch eine Kurve ein. Dieser Effekt ist allerdings sehr klein.
Beim Tiefdecker ist es genau umgekehrt - also absolut nicht das, was man will.

Folgende Datei wurde angehängt:


Lebenserfahrung ist die Summe der Fehler, die zu machen sich kein anderer gefunden hat. (Jules Romains)
Andi Wirth

Überflieger

Andi Wirth

Registriert seit: Nov 2002

Wohnort: Winterthur/CH

Verein: ARGOS, TRA, MGSU

Beiträge: 1262

Status: Offline

Beitrag 59428 , Kurve mit Seitenruder [Alter Beitrag22. Oktober 2004 um 23:23]

[Melden] Profil von Andi Wirth anzeigen    Andi Wirth eine private Nachricht schicken   Besuche Andi Wirth's Homepage    Mehr Beiträge von Andi Wirth finden

Der vorher geschilderte Effekt ist i.A. so klein, dass er vernachlässigbar ist, bis auf zwei Ausnahmen:
1. Es muss dafür gesorgt werden, dass das Höhenleitwerk zu einem grossen Teil ausserhalb der Wirbelzone liegt, sonst verringert sich seine stabilisierende Wirkung.
2. Bei einem kompromisslos auf Kunstflug ausgelegten Flugzeug muss jeder Effekt ausgeschlossen werden, der ein nicht neutrales Flugverhalten zur Folge hat. Deshalb sind die meisten heutigen Kunstflugmaschinen Mitteldecker.

Absolut gewollt ist allerdings ein Effekt, der bei den oben genannten zweiachsgesteuerten Modellen eintritt:

Folgende Datei wurde angehängt:


Lebenserfahrung ist die Summe der Fehler, die zu machen sich kein anderer gefunden hat. (Jules Romains)
Andi Wirth

Überflieger

Andi Wirth

Registriert seit: Nov 2002

Wohnort: Winterthur/CH

Verein: ARGOS, TRA, MGSU

Beiträge: 1262

Status: Offline

Beitrag 59429 [Alter Beitrag22. Oktober 2004 um 23:44]

[Melden] Profil von Andi Wirth anzeigen    Andi Wirth eine private Nachricht schicken   Besuche Andi Wirth's Homepage    Mehr Beiträge von Andi Wirth finden

Auch diese Grafik stammt übrigens aus Persekes Buch.
Der Schiebewinkel sorgt an einer Tragfläche mit V-Form dafür, dass am vorne liegende Flügel ein höherer Anstellwinkel induziert wird. Dieser Effekt ist rein geometrisch, hat also mit Aerodynamik nichts zu tun.
Die Folge ist, dass sich das Flugzeug in eine Kurve legt. So wird aus dem Schiebezustand über die V-Form eine Kurve, und nur so sind Flugzeuge über das Seitenruder steuerbar.
Ein Flugzeug ohne V-Form kann über das Seitenruder nicht gesteuert werden.

Lebenserfahrung ist die Summe der Fehler, die zu machen sich kein anderer gefunden hat. (Jules Romains)
Andi Wirth

Überflieger

Andi Wirth

Registriert seit: Nov 2002

Wohnort: Winterthur/CH

Verein: ARGOS, TRA, MGSU

Beiträge: 1262

Status: Offline

Beitrag 59461 [Alter Beitrag23. Oktober 2004 um 18:16]

[Melden] Profil von Andi Wirth anzeigen    Andi Wirth eine private Nachricht schicken   Besuche Andi Wirth's Homepage    Mehr Beiträge von Andi Wirth finden

Jetzt fange ich schon an, mich selbst zu zitieren ...
Zitat:
Original geschrieben von Andi Wirth
Ein Flugzeug ohne V-Form kann über das Seitenruder nicht gesteuert werden.


Sly hat mich via PM auf folgenden Effekt aufmerksam gemacht:
Im Moment, in dem ich das Seitenruder ausschlagen lasse, dreht sich das Flugzeug in die verlangte Richtung. Während der Drehbewegung (instationärer Zustand!) addieren sich beim nach vor drehenden Flügel die Geschwindigkeiten:
Fluggeschwindigkeit + Drehgeschwindigkeit
Beim nach hinten drehenden Flügel ist es eine Subtraktion:
Fluggeschwindigkeit - Drehgeschwindigkeit
Während der Drehung hat daher der "äussere" Flügel einen höheren Auftrieb als der "innere". Daraus resultiert ebenfalls eine drehung um die Längsachse - das Flugzeug neigt sich in die "Kurve". Sobald das Flugzeug den stabilen Schiebewinkel erreicht hat, ist dieser Effekt vorbei.
Leider lässt sich damit keine vernünftige Kurve fliegen. Erstens ist der Effekt zu klein, als dass eine Kurve zuverlässig eingeleitet werden könnte. Dazu kommt, dass er bei höheren Geschwindigkeiten und damit kleinerem Anstellwinkel abnimmt. Bei einem Hochdecker kommt der Effekt mit der Verwirbelung unter dem "inneren" Flügel dazu, so dass wirklich so etwas wie eine Kurve geflogen werden kann.
Wir haben es heute Nachmittag auf dem Platz ausprobiert (Piper J3, 2.1m, 15ccm 4T, ca. 5kg, kaum V-Form). Es lassen sich so was wie Kurven fliegen, allerdings schwer reproduzierbar, und das Modell wirkt sehr schwammig. Für den Notfall - warum auch nicht, aber nicht für den Alltag.
Was allerdings auch auffällt: wird eine Kurve mit dieser Methode wieder ausgeleitet, kommt das Modell leicht ins Pendeln, weil es überschwingt.
Fazit: der Effekt ist vorhanden und nicht zu unterschätzen; kann aber nicht zu einer effektiven Steuerung genutzt werden.

Danke für den Hinweis!

Lebenserfahrung ist die Summe der Fehler, die zu machen sich kein anderer gefunden hat. (Jules Romains)
Seiten (4): « 1 2 3 [4]
[Zurück zum Anfang]
Du kannst keine neue Antwort schreiben